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Erbschaftssteuervorteile: Fluch oder Segen?
Finanzsenator Dr. Matthias Kollatz im Interview über die Erbschaftssteuer in Deutschland. | Foto: Anno Dittmer

Erbschaftssteuervorteile: Fluch oder Segen?

12. Juni 2020

Im Gespräch mit Dr. Matthias Kollatz, Senator für Finanzen

Neben vielen innerbetrieblichen Herausforderungen eines Generationswechsels ist die Erbschaftsteuer für Familienunternehmen ein entscheidender Faktor. Doch das aktuelle Erb- und Steuergesetz ist durchaus kritisch zu sehen. Zwar profitiert ein Großteil der Unternehmen in Familienhand von großzügigen Steuerprivilegien, riskiert damit aber gleichzeitig seinen guten Ruf. Unternehmertum genießt in Deutschland grundsätzlich ein hohes Ansehen, vor allem wenn dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden und der Unternehmer seine Belegschaft gut führt. Allerdings sind Steuervermeider alles andere als beliebt. Die BERLINboxx sprach mit Finanzsenator Dr. Kollatz über diese Thematik und die Möglichkeit, das Erbschaftsteuermodell gerechter zu gestalten.

Nach einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes zahlen Menschen, die sehr viel Vermögen erben, kaum Steuern. Wie kann es sein, dass der Steuersatz sinkt, wenn das vererbte Vermögen zunimmt? Wieso werden Erben von Betriebsvermögen bevorzugt?

Tatsächlich ist die Bevorzugung beim Betriebsvermögen alles andere als gerecht. Mir ist kein Unternehmen bekannt, das wegen der zu zahlenden Erbschaftsteuer pleitegegangen ist. Die Unternehmen hätten diese Steuer auch nicht zu zahlen, sondern die Anteilseignerinnen und Anteilseigner. Diese werden jetzt größtenteils verschont. Hier gibt es immer die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen, dem Staat einen Anteil zu überlassen oder zur Not eine Stundung zu beantragen. Andere haben argumentiert, dass Arbeitsplätze gesichert werden sollten. Dann stellt sich jedoch die Frage, warum das Betriebsvermögen unberücksichtigt bleibt, wenn es gar keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb gibt. Dies trifft beispielsweise zu, wenn ausschließlich externe Dienstleistungen eingekauft werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte die früheren Erbschaftsteuerregelungen Ende 2014 für verfassungswidrig erklärt, weil Betriebsvermögen im Wesentlichen unkontrolliert waren und begünstigt wurden. Das Land Berlin hatte sich im anschließenden Reformprozess massiv für die Eindämmung dieser Steuervorteile eingesetzt. Aufgrund der Positionierung von CSU/CDU als stärkerer Regierungspartei auf Bundesebene leider vergeblich.

Prof. Dr. Christoph Spengel von der Universität Mannheim und Berater des Bundesfinanzministeriums zum Thema Erbschaftsteuer schlägt vor, alles Erbe gleich zu besteuern und zwar mit 10 Prozent. Gehen Sie hier mit und wenn nicht, wo sehen Sie Möglichkeiten, das Erbschaftsteuermodell gerechter zu gestalten?

Es gibt viele gute Vorschläge, Erbschaften gerechter zu besteuern. Allerdings ist es beispielsweise sehr unwahrscheinlich, dass es jemals eine politische Mehrheit für eine Erbschaftsteuer geben wird, wenn Eltern ihr Einfamilienhaus an ihre Kinder vererben. Da fängt das Gerechtigkeitsproblem aber schon an: Denn die Bevölkerungsmehrheit besitzt gar kein Einfamilienhaus, das vererbt werden könnte. Es ist jedoch grundsätzlich überlegenswert, die Bemessungsgrundlage zu verbreitern, Sonderregelungen abzubauen und den Steuersatz zu vereinheitlichen. Schließlich handelt es sich beim Erben um einen Zuwachs an Vermögen, dem keine Gegenleistung und keine Übernahme eines Risikos gegenübersteht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Interessengruppen, um deren gerechte Beteiligung an der Finanzierung des Gemeinwesens es hier geht, p