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Aktionsprogramm Elektromobilität Berlin 2020 - Grüne Automobilität
Es braucht mehr Ladepunkte in der Hauptstadt, fordert Schulze. | Foto: Auto Foto erstellt von teksomolika - de.freepik.com

Aktionsprogramm Elektromobilität Berlin 2020 - Grüne Automobilität

12. Januar 2021

Mit der Einrichtung der Berliner Agentur für Elektromobilität (emo) 2010 setzte der Berliner Senat unter Klaus Wowereit Elektromobilität auf die Agenda. Ein Jahr später wurde das „Aktionsprogramm Elektromobilität Berlin 2020“ vorgestellt. Es definierte sechs Aktionsfelder und zeigte auf, wie sich Berlin zu einer international anerkannten Leitmetropole der Elektromobilität entwickeln kann, in der ausprobiert, ausgebildet und produziert wird. So die Vision. Nun ist das Jahr 2020 vorbei und es wird Zeit für eine Bilanz. Was ist umgesetzt worden? Wie weit ist man beim Thema Elektromobilität und mit der entsprechenden Infrastruktur? Wohin geht die Entwicklung? Die BERLINboxx hat dazu mit Karsten Schulze, Vorstand für Technik beim ADAC Berlin-Brandenburg e.V., gesprochen.

Leitmetropole der Elektromobilität?

Das Aktionsprogramm zur Elektromobilität wurde 2011 mit dem Ziel verfasst, Berlin bis 2020 als nationales Kompetenz-Zentrum und überregionalen Showroom der Elektromobilität zu etablieren. Wie sehen Sie die Entwicklung der Kompetenzen in diesem Bereich? Ist Berlin heute, wie erdacht, eine Leitmetropole der Elektromobilität?

Berlin ist bei der Formulierung von Zielen gut, in der Umsetzung hakt es aber zuweilen. Von einem Showroom der Elektromobilität sind wir weit entfernt. Nur ein Beispiel: Share-Now zieht seine Elektroautos aus der Berliner Carsharingflotte ab, weil die Rahmenbedingungen in der Hauptstadt zu unattraktiv sind. Da haben uns andere Städte beim Ausbau der Infrastruktur überholt. München etwa hat 1.244 Ladepunkte, Berlin 1.181. Von einer Spitzenposition kann also nicht die Rede sein. Es ist davon auszugehen, dass Rund Dreiviertel der Ladevorgänge zu Hause oder am Arbeitsplatz stattfinden. Umso wichtiger ist es, dass im privaten Bereich jetzt endlich die Hürden für den Aufbau von Ladeinfrastruktur abgebaut wurden.

Carsharing-Modelle

Eine der formulierten Aktionsfelder im Aktionsprogramm sah die Integration von Carsharing-Modellen mit Elektrofahrzeugen in den öffentlichen Verkehr ein. Diese Entwicklung war in der Innenstadt in den letzten Jahren deutlich sichtbar. Sind die Carsharing Unternehmen ein echter Gewinn für die Stadt?

Grundsätzlich hilft Carsharing beim Mobilitätswandel und die Nutzungsdaten sind vorzeigbar. Noch fehlt beim Carsharing allerdings die Ausdehnung auf das gesamte Stadtgebiet, vor allem auf die Außenbezirke, damit diese Mobilitätsalternative auch wirklich Sinn macht. Erst wenn man überall in der Stadt auf Sharing-Angebote zugreifen kann, werden diese Angebote auch für alle Verbraucher interessant. Wenn ich aber immer wieder kontrollieren muss, ob ich das Fahrzeug an meinem Zielort auch abstellen und das Mietangebot beenden kann, werden viele potentielle Kunden eher abgeschreckt. Aber wie anfangs erwähnt, ist es für die Anbieter selbst nicht attraktiv genug, ihr Angebot auszuweiten.

Von der Autostadt zur E-Autostadt? | Foto:  Artem Sapegin via unsplash
Von der Autostadt zur E-Autostadt? | Foto: Artem Sapegin via unsplash

Der Blick über den Tellerrand

Auch andere Städte in Deutschland und Europa haben in den vergangenen Jahren kräftig in E-Mobilität investiert. Die Frage ist also, was kann sich Berlin bei diesem Thema bei anderen Städten noch abschauen?

Berlin ist gut beraten, weniger über neue Verbote und Einschränkungen in der Mobilität zu diskutieren, sondern die erforderliche Ladeinfrastruktur zügig aufzubauen. Andere Städte wie beispielsweise München oder auch Hamburg handeln hier konsequenter und können Erfolge vorweisen. Die Stadtwerke München etwa haben ein Elektromobilitätsangebot für Mehrfamilienhäuser entwickelt. Und in der Hansestadt wurde damit begonnen, 1.000 der insgesamt 6.000 Transformatoren im Stadtgebiet umzurüsten, um den Anforderungen der Elektromobilität nachzukommen.

Die Basis

Ein häufiger Reibungspunkt ist der Diskussion ist die Infrastruktur – konkret die Anzahl der Ladesäulen im privaten und öffentlichen Raum. Wie sieht es hier in der deutschen Hauptstadt aus? Wie gut ist die Infrastruktur allgemein für E-Autos in Berlin?

Wer nicht an seinem Arbeitsplatz oder zu Hause auf die erforderliche Ladeinfrastruktur zurückgreifen kann, wird sehr schnell frustriert. Öffentliche Ladesäulen werden zugeparkt, es wird aber nicht konsequent dagegen vorgegangen. Fahrzeuge bleiben auch nach Ende des Ladeprozesses an der Säule stehen und blockieren diese für weitere Nutzer. Defekte Ladesäulen werden, so wird uns immer wieder berichtet, nur schleppend repariert. Die Ladeinfrastruktur wächst zwar mit den Zulassungszahlen von Elektrofahrzeugen mit. Das Angebot müsste aber schon jetzt deutlich größer sein als die aktuellen 1.181 Ladepunkte, um eine Antriebswende, wie es viele fordern, zu forcieren und aktiv mitzutragen.

Antrieb der Zukunft

Noch stehen wir mit der Elektromobilität am Anfang. Doch wie wird sich die Mobilitätsbranche in den kommenden zehn Jahren entwickeln? Setzt sich der E-Antrieb durch oder sind andere Antriebsformen, wie Wasserstoff oder Solar doch zukunftsträchtiger?

Elektrofahrzeuge – batterieelektrisch oder mit Brennstoffzelle angetrieben – sind sicherlich ein Teil der Problemlösung. Erstere eignen sich insbesondere im urbanen Raum; Immer vorausgesetzt, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur auch erfolgt. Zur Erreichung der Klimaziele muss nach Ansicht des ADAC aber auf alle Einsparungspotentiale technologieübergreifend zurückgegriffen werden. Hier spielen Biokraftstoffe, Erdgasantriebe und synthetische Kraftstoffe auf der Basis von grünem Wasserstoff eine entscheidende Rolle. Nicht die Antriebstechnologie ist das Problem, sondern die Energiequelle. Ein mit Kohlestrom betriebenes Elektrofahrzeug hat keinen Klimavorteil im Vergleich zu einem Verbrenner, der mit fossilem Kraftstoff betrieben wird. Beide Fahrzeuge werden jedoch gleichermaßen klimaneutral, wenn man sie mit grüner Energie antreibt. Wer es also mit dem Klimaschutz wirklich ernst meint, muss alle technologischen Möglichkeiten nutzen und sich nicht einseitig auf eine Technologie festlegen. (aw)